Hexenpost

Spiritualität - Umwelt - Gesellschaft

Ruby und die wilden Wimmel

 

Das Sonnenlicht kitzelte Ruby an der Nase. „Hatschi! Hatschi! Hatschi! Brrrr...jeden Morgen dasselbe“. Ruby streckte sich noch einmal kräftig und schob die Decke mit einem energischen Stoß von sich. Über ihre kleine Treppe an der Bettseite verließ sie ihr Bett und ging Richtung Kleiderschrank. Der alte aus einem Eichenstamm gefertigte Schrank öffnete sich von selbst und lud Ruby mit einem spielerischen quietschen ein. „Guten Morgen Frank, na? Was ziehen wir heute an?“ Liebevoll strich sie über die Kleiderschranktüren. „Grün oder grün?“. Sie kicherte in sich hin-ein. In der linken Hand hielt sie ein grasgrünes Kleid mit bunten Schmetterlingen in die Luft, welche voller Vorfreude umherflatterten. „Ach ihr Lieben, beruhigt euch doch“. In der rechten hielt sie ein frühlingshaftes Kostüm mit raschelten Blätterran-ken. Sie entschied sich für das Blätterkostüm und eilte nach unten in die Küche. Dort herrschte schon wildes Treiben. „Wimmel hier, Wimmel dort, was wimmelt ihr denn immer fort?“ Lachend versuchte Ruby sich zur Küchenzeile vorzuarbeiten. „Huch!“, ein Wimmel schob eine Tasse zu nah an ihrer Hand vorbei, während ein anderes Wimmel die frischen Minzblätter vom Stängel zupft. „Guten Morgen meine lieben Wimmel, wir haben heute viel zu tun! Lasst uns schnell frühstücken und dann legen wir los.“ Während Ruby ihre Tasse Tee mit zum Tisch nahm, richteten die Wimmel das Frühstück her. Die Wurst auf den Tisch, den Käse auf die Platte und das frische Obst schnell in Scheiben geschnitten. Zwei Wimmel pressten fri-schen Orangensaft während andere Rührei zubereiteten. Ein Wimmel brachte Ruby die neue Ausgabe der Hexenpost. „Danke meine Liebe. Sehr aufmerksam.“ Ruby lehnte sich zurück, nahm einen kräftigen Schluck vom Tee und schlug die Zeitung auf. Gerade als sie in den Artikel „Magische Flaschen und andere Ge-schenkideen“ vertieft war, zupfte ein Wimmel an ihrem Ärmel. „Oh Wimmel hier, oh Wimmel da, das Frühstück ist ja wunderbar.“ Der ganze Tisch war voller Leckereien und auch der letzte Wimmel hatte seinen Platz am Tisch gefunden. „Guten Appetit ihr Wimmel. Lasst es euch schmecken!“. Sogleich stürzten sich die Wimmel auf das Essen. Etwas stolz war Ruby schon auf ihre Wimmel und betrachtete sie alle mit einem liebevollen Lächeln. Was war eine Naturhexe nur ohne ihre Wimmel? Ein Leben ohne sie konnte sie sich gar nicht vorstellen. Während sie sich eine Semmel mit Ei, Petersilienkäse und Schneckenschinken zubereitete, wanderten ihre Ge-danken zu dem Zeitpunkt, als sich der erste Wimmel ihr anschloss. Wimmel konn-ten nicht gezwungen werden, bei einer Naturhexe zu leben. Sie mussten freiwillig mitkommen und durften auch jederzeit wieder gehen. Ruby war sehr stolz darauf, dass bei ihr insgesamt 23 Wimmel wohnten. Sie waren eine riesige Unterstützung und brachten Leben ins Hexenhaus. Vor lauter Nachdenken vergaß Ruby fast ihre Semmel zu essen. Sie biss genussvoll ab und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu.
Die Teller leerten sich und die Wimmel wurden langsam unruhig. „Soooo“, überleg-te Ruby, „was steht heute alles auf unserer Liste?“ Ein Wimmel brachte ihr ein Ahornblatt, damit Ruby die heutigen Tagespunkte notieren konnte. „Sehr aufmerk-sam. Danke. Alle Wimmel fertig machen, alle Wimmel packen ihre Sachen! Alle Wimmel aufgereiht, macht euch für den Tag bereit“. Fröhliches Kichern und vor-freudige Hektik waren die Antwort. Die Wimmel rannten durch das Hexenhaus, zo-gen sich an und packten ihre Rucksäcke. Auch Ruby trank den letzen Schluck ih-res Tees und machte sich daran ihre Sachen zu packen. Das Wetter war heute so schön, dass sie auf alle Fälle an ihren Sonnenhut denken musste. Schnell waren der Kompass, die Fläschchen mit Brennnesselsud und der Nussbeutel verstaut. Ruby ging zur Türe und sagte mit kräftiger Stimme: „Wimmel kommt, Wimmel bereit, alle Wimmel aufgereiht!“. In Windeseile waren alle Wimmel da. Die ganze Truppe wurde von einer angenehmen Sommerbrise begrüßt und das Licht schimmerte ver-spielt durch die Blätterdecke der Bäume. „Nun, als erstes gehen wir zum See, um nach dem Rechten zu sehen“, sie überlegte kurz, „und danach schauen wir bei den Erdbeerfeldern vorbei. Also los!“. Nach einem kurzen Fußweg war der See bereits am Ende des Weges zu sehen und Ruby holte ihren Kompass raus. Das war ein besonderer Kompass, welcher verletzte Pflanzen orten konnte. Zügig schlug die Nadel an und Ruby machte sich mit ihren Helfern an die Arbeit. Sie stützen schwe-re Blütenköpfe, entfernten abgeknickte Äste, testeten die Qualität des Wassers und verteilten fleißig den Brennneselsud. Auch das Aufsammeln des Mülls gehörte zu ihren Aufgaben. Zwischendurch blieb Ruby noch auf einen Ratsch bei der neu eingezogen Froschfamilie stehen und sich die neuesten Ereignisse und Verfeh-lungen der Besucher des Sees erzählen zu lassen. Als Naturhexe war es ihre Auf-gabe das Ökosystem zu schützen und zu unterstützen, wo sie nur kann. Nach ih-rem Rundgang kniete sich Ruby an das Ufer und steckte ihre Hände ins Wasser.
„Oh See, du Reich des Lebens,
lass mich helfen, lass mich pflegen.
Du hilfst, du schützt, du gibst,
schenkst Lebensraum für die du liebst.
Schenk dir Gesundheit, schenk dir Kraft,
Nimm dir, was du brauchst, aus meiner Patenschaft.“
Sobald Ruby das letzte Wort gesprochen hatte, fühlte sie, wie die Energie zu flie-ßen begann. In leichten Wellen strömte die Energie von ihren Händen in den See. Sie liebte, wie die Muster an ihren Unterarmen leicht leuchteten. Ihr Blick schweifte über die klare Oberfläche und Ruby genoss einfach den Moment.
Nach der Regeneration des Sees sammelte Ruby alle ihre Sachen zusammen und rief die Wimmel zu sich. Danach machten sie sich über die schöne Schilfstrecke, vorbei an den Seerosen auf dem Weg zu den Erdbeerfeldern. Sie legten einen kleinen Halt in der Eichhörnchen-Siedlung ein und verteilten die mitgebrachten Nüsse. Die letzten Winter waren hart gewesen und Ruby wollte sicher gehen, dass die Nusslager voll sind. Schon von weitem konnte man den Geruch der Erdbeeren wahrnehmen. „Mmhhhh...riecht das lecker!“. Die Wimmel rannten voraus und ver-teilten sich zwischen den Erdbeerpflanzen. Sie nahmen Proben, überprüften die Qualität und entfernten schimmelnde Beeren. Hier und da wurde natürlich auch eine der süßen Beeren genascht. Während die Wimmel ihren Aufgaben nachgin-gen, schlenderte Ruby durch die Reihen und suchte nach der alten Vogelscheu-che. „Hallo Henry! Und was gibt es Neues? Helfen die Kümmel-Anis-Streusel ge-gen die diebischen Raben?“. „Guten Mittag Ruby. Ach ja, dem Erdbeerfeld geht es gut – dank deiner Hilfe! Die Streusel helfen gut und die Raben-Gang hält sich seit-dem von den Erdbeeren fern“. „Das freut mich sehr zu hören. Falls du noch welche brauchst oder ich mal mit den Raben reden soll, dann sagst du mir bitte Bescheid“. „Danke Ruby! Ich gebe dir Bescheid.“ Ruby ging weiter und nahm selbst noch ein paar Proben von den Sträuchern. Die Proben würden sie später im Labor im Keller auf Erreger und Pestizide testen. Bei den Gedanken an Pestizide schüttelte Ruby sich. Sie hasste diese Mittel und verfluchte innerlich die Erfinder. Am Ende des Feldes warteten bereits ihre Wimmel auf sie, bereit den Heimweg anzutreten. „Kur-zen Moment noch meine Lieben“, sagte Ruby und legte ihre Hände auf den Boden.
„Oh See, du Reich des Lebens,
lass mich helfen, lass mich pflegen.
Du hilfst, du schützt, du gibst,
schenkst Lebensraum für die du liebst.
Schenk dir Gesundheit, schenk dir Kraft,
Nimm dir, was du brauchst, aus meiner Patenschaft.“
Wie zuvor am See, saugte der Boden gierig die zur Verfügung gestellte Energie auf. Man sah dem Boden sofort an, wie er sich von den Strapazen erholte. „Puh, heute war ein guter Tag“, sagte Ruby zu sich selbst, „ab nach Hause“.
Zurück im heimischen Garten fingen die Wimmel sofort an ihren Freizeitbeschäfti-gungen nachzugehen. Auch Ruby richtete sich ihren Liegestuhl zurecht, holte ih-ren frisch aufgegossenen Hibiskus Tee und genoss das wilde Treiben um sich her-um. Sie liebte ihre Aufgabe als Naturhexe, auch wenn das Heilen der Lebensräume ihr auch immer Kraft raubte. Zudem machte es sie auch immer ein wenig traurig zu sehen, wie wenig Dankbarkeit verschiedene Lebewesen gegenüber der Natur zeig-ten. Doch genau dafür war sie als Naturhexe da. Um alles wieder in Einklang zu bringen. Entspannt und zufrieden schloss Ruby ihre Augen und hörte dem Wind und den Vögeln zu. Ihre Gedanken trieben ab zum morgigen Tag, an dem ihre flei-ßigen Wimmel und sie das Geschenk der Natur auf ein neues Wahren würden. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief Ruby ein.

 


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