Hexenpost

Spiritualität - Umwelt - Gesellschaft

Hexenkummer

 

Da saß sie nun, Laura, Mitt-Dreißigerin, Hexe ohne Talent und jegliche besonderen Kräfte.
Die, die immer so voller Ehrgeiz Dinge erledigen wollte und kläglich scheiterte. Die sich in ihrem Leben schon immer für Hexenkünste und Spirituelles interessiert hatte.
Meditieren hatte auch beim zwanzigsten Versuch nicht geklappt und Laura zweifelte an sich selbst. Ihr kam der Gedanke, dass das doch alles vergeudete Liebesmüh´ war und ihre Freunde recht hatten.
„In deinem Alter glaubt man doch nicht mehr an sowas“, oder Sprüche über alte bucklige Frauen mit Warze waren ihr bestens bekannt. Ihre Freunde (zwei an der Zahl) waren zuverlässig und treu, aber konnten mit Lauras Begeisterung für Kräuter, Natur, besondere Fähigkeiten und Hexenfeste so überhaupt nichts anfangen.
Anna war die Logikerin, die quasi an nichts glaubte, was sich nicht erklären ließ. Agnostikerin, mit großen Zukunftsängsten, ohne Vertrauen ins Leben.
Benni, 42, Nerd, konnte sich nur mit virtuellen Hexen anfreunden. Da waren sie dann sinnvoll, in seinen Games.
Und so feierte Laura Beltane mal wieder alleine. Es war kein Weltuntergang, aber sie empfand es als unspektakulär und langweilig.
Na wenigstens akzeptierten ihre beiden Freunde Laura genau so wie sie war, sie wollten sie nicht verändern und auch wenn sie sie belächelten, respektierten sie sie.
Nicht so, wie Lauras Arbeitskollegen.
Sie arbeitet als Buchhalterin für eine mittelständige Firma. Eigentlich hatte sie davon geträumt, die Welt zu bereisen und zu studieren, aber dann hatte sie sich für das Familienleben entschieden. Es war schön, aber dennoch war Laura oft etwas wehmütig.
Somit wurde es ein bodenständiger Beruf, der gut mit dem Familienleben zu vereinbaren war.
Mit ihrer Einstellung galt Laura schon immer als Exot. Die Spinnerin, die Ökotante und einfach die Seltsame. Irgendwie hatte sie das Gefühl, die Menschen hätten Angst vor ihr. Und irgendwie war das auch so.
Wieso feiert sie komische Feste und legt Muster aus Steinen? Eigentlich sollte es nur ein Naturmosaik werden, aber nein, Andy aus dem Lager hatte sie gesehen und in der ganzen Firma herumerzählt, Laura betreibe Vodoo und ließe sich mit dunklen Mächten ein.
Dies bekam dann auch Lauras Familie zu spüren. Daniel, ihr Mann störte sich noch nie an etwas, aber Amélie, die nun schon 13 war, wurde zunehmend unsicherer und schämte sich für Laura.
Früher fand sie alles toll und spannend. Jetzt, wo es so wichtig war, überall dazuzugehören und nur nicht aufzufallen, war es ihr peinlich.
Drei Tage nach Amélies 13. Geburtstag fand im Dorf ein kleines Frühlingsfest statt.
Laura, Daniel, Benni und Anna trafen sich, um dort gemeinsam Kuchen zu essen und den Samstag verstreichen zu lassen.
Amélie traf sich mit ihrer Mädelsgruppe und tat alles dafür, nur nicht in der Nähe ihrer Familie und den langweiligen Freunden ihrer Mutter zu sein.
Die Mädels hatten sich beim Süßigkeitenwagen großzügig versorgt und waren in den Wald verschwunden.
Der Odenwald, ein sagenumwobener Wald, in dem sie früher ab und zu mit Laura Pilze und Wildkräuter gesammelt hatte, zu dem sie sonst aber mittlerweile kaum mehr Bezug hatte.
Sie liefen herum, naschten, gackerten wie die Hühner, während sie sich die neuesten TikTok Videos ansahen.
Sie liefen weiter, bis zu einer großen Felsengruppe, vermutlich Reste eines Lagers aus dem vergangenen Krieg und ließen sich dort nieder.  Sie schauten sich stundenlang irgendwelche Videos an.
Zwei der Handys waren schon aus, da Leni und Mia sie wieder nicht geladen hatten. Nur Amélies Handy hatte noch 15%. Es dämmerte und sie saßen immer noch, als auch Lauras Handy anzeigte, dass es bald leer war.
Als es dann soweit war, war es auch schon dunkel geworden und die Mädels saßen nun mitten im Wald, ohne Handys und es wurde ihnen erst in dem Moment klar.
Überall knackte es, man hörte Vogelstimmen und rascheln. Sie waren mucksmäuschenstill und fühlten sich nun überhaupt nicht mehr entspannt.
Sie liefen umher, konnten aber den Weg aus dem dichten Mischwald nicht finden.
Sie nahmen sich an den Händen und liefen dennoch weiter. Amélie versuchte verzweifelt, ihr Handy doch noch einmal irgendwie an zu bekommen, aber es war komplett leer.
Laura spürte, dass etwas nicht stimmte. Irgendeine Stimme sagte ihr, dass ihr Kind Angst hatte. Sie versuchte Amélie anzurufen, erreichte sie aber nicht.
Ein ganz ungutes Gefühl umkam sie und sie rief die Eltern der anderen Mädels an. Diese waren mega entspannt, da die Mädels ja erst um 22 Uhr zurück sein mussten und es noch etwas Zeit war bis dahin.
Als es schon nach 22 Uhr war, wurden auch die anderen Eltern langsam nervös.
Laura hatte schon wieder dieses Gefühl. Sie setzte sich ins Nähzimmer und zündete Palo Santo an. Tief atmete sie ein und aus und konzentrierte sich auf Amélie. Auf einmal kam es ihr wie eine Eingebung. Wald, die alte Steinmauer, die Mädels die umherirrten. Sie konnte es deutlich vor sich sehen.
Sie rief Benni und Anna, dass sie doch bitte mitkommen sollten. Daniel sagte, er könne gehen, aber Laura schilderte ihm ihre „Vision“ und bat ihn zu Hause zu warten, falls es nicht stimmen sollte und Amélie auf dem Nachhauseweg war.
Sie erzählte es ebenfalls den anderen Eltern und diese taten es ihnen gleich, ein Elternteil kam mit, einer wartete Zuhause. Mias Mutter, alleinerziehend, blieb zu Hause, da Mias Schwester schon schlief, sie waren aber alle erreichbar und hatten auch Whatsapp.
Sie trafen sich am Ostparkplatz, mit Handys und Taschenlampen bewaffnet und liefen los in den Wald.
Laura lief umgetrieben, als würde sie von einem Magneten angezogen. Die anderen liefen ihr ungläubig und ratlos hinterher.
In Gedanken bat sie Mutter Natur und alle Kräfte, den Kindern beiseite zu stehen und sie zu ihnen zu führen.
Sie spürte eine Wärme, ein Gefühl welches ihr vorgab, wo sie hinlaufen sollte.
Auf einmal tauchte ein Glühwürmchen auf und flog an der Seite der Gruppe. Es war wie ein Licht im Dunkeln, welche von Laura angeführt dem Glühwürmchen folgte.
Und da hörten sie sie, ein Jammern, ein Rufen und Rascheln. Die Mädels saßen zusammengekauert an einem großen Nadelbaum, Amélie weinte.
Laura lief schneller und rief den Mädchen zu. Diese standen auf und wurden von den Eltern freudig empfangen und gedrückt und geherzt. Normalerweise hätten sie das nie zugelassen, in dem Moment waren sie aber einfach nur froh und glücklich, dass sie gefunden worden waren.
Zum Glück war nichts passiert, denn weiter oben im Wald gab es natürlich auch Wildschweine, die sich nachts weiter raus trauten.
Laura nahm Amélie in die Arme und fing ebenfalls an zu weinen. Amélie sagte, sie hätte gerufen und sogar gebetet, dass sie gefunden werden.
Die Eltern waren überglücklich und froh, dass es so einen guten Ausgang hatte. Und ab diesem Zeitpunkt spottete niemand mehr über Laura, im Gegenteil, es wurde respektvoller denn je mit dem Thema umgegangen.
Es fanden sich weitere Frauen, die ebenfalls den Hexenkünsten nicht abgeneigt waren und eine Interessengruppe entstand. Und im nächsten Jahr wurde Beltane gemeinsam und gebührend gefeiert.
Benni und Anna machten keine dummen Sprüche mehr, sondern nannten Laura nur noch liebevoll ihre „gute Hexe“ und Daniel freute sich für seine Frau, dass diese endlich wieder zu sich selbst gefunden hatte.
Amélie und ihre Mädels gründeten danach ebenfalls einen Hexenclan und lernen nun einiges von den „Alten“.

 

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