Hexenpost

Spiritualität - Umwelt - Gesellschaft

Die Mühlenhexe Zirphaela



Die kleine Hexe Zirphaela war traurig, denn die verlassene alte Windmühle, in der sie sich häuslich eingerichtet hatte, war zum Teil sehr baufällig. Zum Glück schützte das Laub der dicken Eiche, die neben der Mühle stand ein wenig davor, dass es durchregnete. Der Baum war im Lauf der vielen Jahre immer näher an die Mühle herangerückt und im Sommer sehr dicht belaubt. Wenn die Blätter im Herbst vom Wind herunter gerissen wurden und im Winter Schnee die Zweige bedeckte, kam es öfter vor, dass die Feuchtigkeit durch die undichten Stellen im Dach drang. Dann musste Zirphaela Schalen aufstellen, um das Wasser aufzufangen. Heute war so ein Tag. Es stürmte und regnete schon seit dem ganzen Vormittag, und sie hatte ihr dickes Zauberbuch hervorgeholt, um endlich eine Möglichkeit zu finden ihr Zuhause wetterfest zu machen. Natürlich kannte sie jede Menge Zaubersprüche, aber diesen ganz speziellen hatte sie einfach noch nicht gefunden. Zirphaela war eine sehr junge Hexe und, um ehrlich zu sein, das Lesen fiel ihr schwer. Vielleicht hätte ich in der Hexenschule doch besser aufpassen sollen, dachte sie missmutig, als ihr Blick nach draußen fiel. Natürlich hatte sie die Grundbegriffe der Zauberei erlernt, wie große Tiere in ganz kleine zu verwandeln und umgekehrt. Sie konnte sich bei Bedarf unsichtbar machen, Gegenstände schweben lassen und vieles mehr. Besonders praktisch fand sie es, dass sie sich gemerkt hatte, wie sie den Staubwedel allein durch das Haus wirbeln lassen konnte, damit sie nicht selbst putzen musste.  Kochen und Backen hingegen machte ihr Freude, meistens jedenfalls. Zirphaela war übrigens eine „weiße Hexe“ und das wollte sie auch bleiben. Ihr wisst doch, was eine weiße Hexe ist oder? Für diejenigen, denen der Begriff vielleicht nicht bekannt ist, erkläre ich es kurz:  Eine weiße Hexe ist eine gute Hexe, die nichts Böses zaubern möchte.
Der Hexenbesen von Zirphaela stand meistens unbenutzt an der Wand, denn sie hatte einen miserablen Orientierungssinn, daher ging sie die meiste Zeit lieber zu Fuß. Darüber hatte sich ihr Besen schon häufiger beschwert.
„Was soll ich bei Dir? Ich möchte die Welt sehen. Immer nur hier in der Ecke stehen ist langweilig“, meuterte er.
„Du weißt doch, ich verfliege mich so schnell.“
„Dann mach einfach noch mal einen Kurs im Hexenbesenfliegen“, schlug der Besen vor.
„Warum sollte ich das?“
„Um ab und zu etwas anderes zu sehen oder zu hören. Bei den Menschen ist viel mehr los! Die erzählen sich Märchen und feiern sogar Feste.“
„Woher weißt Du das denn?“
„Nun ja“, gab der Besen verlegen zu, „ich bin hier und da schon mal heimlich ins Dorf geflogen und habe ihnen zugesehen und ihre Gespräche belauscht. Ich finde Menschen sehr interessant.“
Zirphaela staunte. Dann wurde sie ein wenig böse.
„Was wäre gewesen, wenn sie Dich erwischt hätten?“
„Keine Angst, dafür bin ich viel zu schnell“, prahlte der Besen. „Und wenn ich bei Dir nur in der Ecke stehen soll, dann werde ich sowieso irgendwann ausreißen, denn das ist nicht meine Bestimmung. Außerdem denken die Leute im Dorf ohnehin, die alte Windmühle ist verflucht, seitdem irgendjemand mal gesehen hat, dass Du hier Frösche und anderes Ungeziefer  hast regnen lassen. Nun traut sich keiner mehr in die Nähe unserer Mühle.“
„Aber das war ein Versehen, und ich habe die Frösche ja auch gleich wieder fortgezaubert“, verteidigte sich Zirphaela.
„Aber die Leute sind abergläubisch, das weißt Du doch“, schalt der Besen.
„Ja, ich weiß, deshalb habe ich seitdem ja meistens nur drinnen zaubern geübt. Aber ich hätte nur zu gern etwas Gesellschaft“, seufzte sie traurig.
„Wieso, reiche ich Dir nicht?“, fragte der Besen beleidigt.
„Das ist es nicht, aber ich wünsche mir ein lebendiges Wesen an meiner Seite.“
„Na und? Zauber Dir doch einfach eines her. Und wenn Du genug davon hast, dann kannst Du es ja wieder fortzaubern.“
„Nein, das ist nicht dasselbe“, fand Zirphaela. „Ich möchte, dass es eines Tages von selbst zu mir findet.“
„Du hast Wünsche…“, brummte der Besen unwillig.
Aber er versprach darüber nachzudenken, wie er ihr helfen könne. Als Zirphaela sich zu einem kleinen Mittagsschläfchen hingelegt hatte, flutschte er heimlich aus dem Fenster und flog ins Dorf, um dort die Menschen zu  belauschen, die in den Spinnstuben arbeiteten und sich dabei unterhielten. Da hörte er, wie eine Bäuerin den anderen Frauen erzählte: „Eine unserer Katzen hat schon wieder Junge bekommen.  Mein Mann will sie loswerden, wir haben doch schon so viele Tiere auf dem Hof. Hat nicht eine von Euch Verwendung für ein kleines Kätzchen? Sie sind so niedlich, obwohl sie alle drei pechschwarz sind!“
Damals waren viele Leute der Meinung, dass schwarze Katzen Unglück brächten, deshalb waren sie nicht sonderlich beliebt. Keine der anderen Spinnerinnen wollte eine schwarze Katze – leider. Sofort flog der Besen zurück, weckte Zirphaela aufgeregt und berichtete ihr, was er gehört hatte.
„Drei süße kleine schwarze Kätzchen, sagst Du? Was macht der Bauer denn mit ihnen, wenn niemand sie  aufnehmen will?“
„Das weiß ich nicht, aber womöglich tut er ihnen noch was an“, befürchtete der Hexenbesen.
„Das darf er nicht, außerdem möchte ich sie haben!“, rief Zirphaela aufgeregt.
„Dann verkleide Dich als Bäuerin, geh ins Dorf und frag, ob Du sie mitnehmen darfst.“
„Das ist eine gute Idee“, fand Zirphaela.
Sie zauberte sich ein einfaches Kleid, band ein Kopftuch um und zog Holzschuhe an. Damit sah sie aus, wie alle anderen Frauen aus dem Dorf. Sie machte sich gleich auf den Weg, den der Besen ihr beschrieben hatte.
„Es ist der größte Hof im Dorf, Du kannst das Haus gar nicht verfehlen“, hatte er gesagt.
Und so war es. Als Zirphaela dort ankam, war die Bäuerin gerade dabei ihre Hühner zu füttern.
„Ich habe gehört, Ihr habt kleine Kätzchen?“, erkundigte Zirphaela sich freundlich.
„Ja, das stimmt, aber alle drei sind kohlrabenschwarz, deshalb will sie niemand“, antwortete die Bäuerin bedauernd.
„Doch, ich nehme sie, alle drei“, sagte Zirphaela. „Ich finde schwarze Katzen hinreißend!“
Die Bäuerin war nur zu froh, die munteren kleinen Kätzchen abgeben zu können. Sie holte schnell ein Körbchen, setzte die Kleinen hinein und wünschte Zirphaela alles Gute.
„Das wünsche ich Euch auch und vielen Dank!“, erwiderte die kleine Hexe und ging schnell davon, bevor der Bauer kam und es sich womöglich anders überlegen konnte. Außerdem verhängte sie einen Zauber über die Hofkatzen, damit keine von ihnen mehr schwarze Nachkommen bekam. In Zukunft sollten alle kleinen Kätzchen die Chance haben in gute Hände zu kommen.
Zuhause in der Mühle bedankte sie sich herzlich bei dem lieben Besen und versprach ihm, nun auch das Fliegen öfter zu üben, damit  er ebenfalls zufrieden sein konnte. Dieses Versprechen hat sie gehalten, dafür half ihr der Hexenbesen besser Lesen zu lernen. Und so konnte die kleine Mühlenhexe irgendwann alle Zaubersprüche nachschlagen, die sie gerade brauchte. Natürlich fand sie auch einen Zauberspruch, durch den sie das kaputte Dach reparieren konnte. Außerdem achtete sie von nun an sehr genau darauf, alles bestens in Ordnung zu halten.
Seit der Zeit haben alle Hexen Katzen und oft sind es schwarze. Aber keine Angst, böse Hexen gibt es ohnehin nicht mehr, die sind längst ausgestorben. Inzwischen haben viele Menschen schwarze Katzen sogar ganz besonders gern, vielleicht weil sie so geheimnisvoll aussehen. Das finden nicht nur Frauen, die zaubern können, aber magische Kräfte haben alle Katzen, egal welche Farbe ihr Pelz hat, das könnt Ihr mir glauben!

Zurück zur Übersicht und Abstimmung

 

E-Mail
Anruf
Infos